Hier findet sich der Vortrag zur  Performance Messe in Paderborn, gehalten am 8. September 2008:

Die Zukunft ist draußen.

Perspektiven für ein neues Volkstheater im 21. Jahrhundert

Von Stefan Behr


Ich möchte mich herzlich bei der Performance bedanken, dass ich hier heute die Möglichkeit habe, Ihnen einige meiner Gedanken über das Theater draußen und seine Perspektiven als Volkstheater im 21. Jahrhundert zu geben. Ich möchte betonen, dass ich zwar Mitglied im Bundesverband Theater im Öffentlichen Raum bin, aber hier ausschließlich meine eigene Meinung wiedergebe. Ich tue dies vor allem auch deshalb, weil ich sie ein wenig provozieren möchte.  Sehen wir mal, ob mir das gelingt.

Haben sie den letzten Tatort gesehen? Mehr als 7 Mio. Menschen haben! Damit wurden an einem einzigen Sonntag  Abend, mit einer einzigen Sendung mehr Menschen erreicht als alle Öffentlichen Theater 2006 im Bereich Schauspiel zusammen Zuschauer hatten.

Es wird geschätzt, dass ca. acht Prozent der Bevölkerung zu den Theaterbesuchern in Deutschland gehören. Von den vermutlich 40 Anwesenden sind es also statistisch gesehen gerade einmal drei…

Was glaubt das Publikum noch im Jahre 2008 im Theater zu finden? Das interessantere Wort  für Publikum ist Be-Sucher, steckt in ihm doch der Sucher, der Suchende. Was sucht er also, was er woanders nicht finden kann? Geschichten? Bildung? Finden wir das nicht in Hörbüchern, Videos, Illustrierten, Internet… jederzeit, wann immer wir wollen… Lebensrat? Ratgeber sind die Sachbuchrenner schlechthin  - individuell zugeschnitten auf individuelle Problemlagen. Gesellschaftliche Reflexion? Kein Problem, schalten Sie ihren Fernseher ein und zappen sie sich von Diskussionsrunde zu Diskussionsrunde – mit den besten Experten.  Angebote für den Suchenden gibt es mehr denn je.

Auf der anderen Seite verschwimmen die Grenzen von Kunst und Wirklichkeit politische Veranstaltungen werden immer theatraler inszeniert, beim Reality-TV Format  lässt sich Theater und Wirklichkeit nicht mehr unterscheiden. Beuys hielt  jeden für einen Künstler und Castingshows verprechen jedem die Chance ein Künstler zu werden. Eine Welt inszeniert sich selbst. Wenn aber alles Theater ist, wozu brauchen wir dann noch ein Theater für alle?

Und noch viel wichtiger:  Glauben wir, die wir Theater machen, überhaupt noch an die Kraft des Theaters und dass diese Kraft einen Beitrag für  die Gesellschaft  leisten kann.   

Ist ein Volkstheateransatz überhaupt noch denkbar in einer Welt in der sich der Mensch immer weiter aus dem öffentlichen Leben zurückzieht in Peargroups und Chatrooms?  Kann man angesichts dieser vielen Welten überhaupt noch von einem Volk als einer Gemeinschaft mit einer gemeinsamen Sprache, einer gemeinsamen Kultur oder Geschichte sprechen?

Schon vor rund 100 Jahren schrieb der Theaterkritiker  Stefan Großmann: „Sind wir denn ein Volk? Dort sitzt Herr Scheidemann, da drüben Herr Geheimrath Roethe, da taucht Hauptmanns Goetheschädel auf, dort winkt Dr. Cohn einem Genossen. Aber Scheidemann blickt an Roethe vorbei, und Cohn  geht mit einem Achselzucken an Hauptmann vorüber. Kein Volk der Erde ist so arm an Gemeinschaftsgefühl. So haben wir nun das größte Volkstheater ohne Volk.“

Tradition des Volkstheaters

Großmann schreibt dies in einer Zeit, in der Max Reinhardt mit seinem „Theater der 5000“ breite Bevölkerungsgruppen für das Theater gewinnt. Im  Zirkus Schumann setzt er seine Arenatheateridee um und inszeniert nicht nur mit Verfahren, welche die Theaterreformer entwickelt hatten, sondern auch mit Formen der modernen Volkskultur wie Zirkus, Sport oder Kino. Es gelingt ihm, Besucher aus allen gesellschaftlichen Schichten anzuziehen, sowohl in Berlin als auch bei seinen Gastspielen in Deutschland und in ganz Europa.

Seine Volkstheateridee hat nichts mit den Hans Wursttriaden oder dem Pickelheringklamotten des Volkstheaters der verausgegangenen Jahrhunderte zu tun.  Inspiriert ist er eher von dem Volkstheatergedanken, wie ihn Romain Rolland vertritt. Dieser postuliert in seinem Buch „Das Theater des Volkes“  1903: „Es gilt ein Theater ins Leben zu rufen, das dem Volke vom Volke gewidmet ist. Es gilt eine neue Kunst für eine neue Welt zu schaffen.“  

Das neue Theater wollte nicht mehr nur Erbauungs- oder Bildungstheater sein. Die Trennung  zwischen passivem Zuschauer und  handelndem Schauspieler wurde als Widerspruch zwischen Kunst und Leben gesehen, der überwunden werden musste. Dem alten Guckkasten wurde das rauschhafte Erlebnis der Gemeinschaft  entgegengestellt. Und plötzlich konnte alles Theaterbühne sein: Der Zirkus, die Fabrik, Öffentliche Plätze und Gebäude.

Auch Max Reinhardt entdeckt für sich den Öffentlichen Raum, lässt den Jedermann in Salzburg auftreten, und inszeniert den Kaufmann von Venedig an Originalschauplätzen.

Kurt Pinthus schreibt 1920 „Das Volkstheater“ wird eine ungeheure Aufgabe haben…. Das Theater hat (hier) wieder die Bedeutung, die das Volk ihm von jeher zumaß. In ihm schmilzt Kunst, Glauben, Politik ineinander. Es ist „Theater für Alle“.

Der Begriff des „Theaters für alle“ wurde im 20. Jahrhundert also weit vor Hilmar Hofmanns Ruf nach „Kultur für alle“  geprägt. Volkstheater wurde  von Reinhardt oder Pinthus auch nicht verstanden als ein Bauern- oder Komödientheater. Es ging ihnen darum breite Bevölkerungsgruppen für das Theater zu begeistern und es somit zu einem Teil ihres Lebens zu machen.

 

Wer heute ein „Theater für alle“ proklamiert, muss sich bewusst sein, dass Theater noch im Gegensatz zu Beginn des 20. Jahrhunderts weit stärker im Konkurrenzfeld anderer Medien steht. Des halb  muss es sich stärker denn je darauf besinnen, was Theater vor allem  im Gegensatz zu Film oder Fernsehen kann.  Es wird – um es im Managerjargon auszusprechen – seinen Unique selling point finden müssen. Was kann also Theater, was Fernsehen und Film nicht kann.

Hier ist eine kuriose aber  wichtige Antwort: (Ich halte einen Spiegel hoch).

Wenn jemand im Film oder im Fernsehen den Spiegel hochhält, dann sehen sie vermutlich das Team hinter der Kamera. Wenn sie das im Theater tun, spiegelt sich der Zuschauer und  (!) der Raum. Zuschauer und Raum sind präsent – sind gegenwärtig während der Aufführung.  Mehr noch: Sie sind wahrnehmbar, was nicht nur der Spiegel beweist, sondern auch jeder Schauspieler bestätigen kann.

Mehr noch: Meyerhold spricht vom Zuschauer als  „vierten Schöpfer des Theaters“. Theater findet nicht nur statt, wenn der Zuschauer anwesend ist, Theater ist eine kommunikative Kunst, die in der Beziehung zwischen Publikum und Theatermacher und ich füge als weiteren Schöpfer den Ort hinzu, entsteht.  Man könnte auch sagen: Theater ist ein Dialog, ein Gespräch zwischen Theatermacher, Zuschauer und Ort.

Die Schwierigkeiten diesen Dialog zu führen, haben sich im Gebilde des Theaterbaus seit langem manifestiert:

Das Theater ist ein artifizieller Unort. Ein Ort in dem es keine sichtbaren Spuren von Geschichte geben darf, ein Unort in den man vom Bühnenbildner jede Welt hineinzimmern kann. Ein Unort abgeschottet von der lebendigen Welt.

Im klassichen Theaterbau gibt es eine klare Trennlinie zwischen Zuschauerraum und Spielort. Während der letztere im strahlenden Licht erscheint, bleibt der Zuschauer im Dunkeln unsichtbar.

Und der Zuschauer weiß um die klaren Regeln: Stillsitzen! Ruhig verhalten bis der Vorhang fällt! Wenn alles vorbei ist, dann darf er kundtun, was er von dem Ganzen hält.

Ich halte eine wechselseitige Kommunikation in einem solchen Gebilde nicht für unmöglich, aber sicherlich für erschwert, weil in der Form nicht angelegt.

Wenn Theater ein Publikumsproblem hat, dann ist es untrennbar mit diesem Ort und seinen unsichtbaren Gesetzen verbunden.  Ein Nachdenken über ein Theater der Zukunft bedeutet deshalb fast zwangsläufig ein Infrage stellen dieses Theaterbaus.

Vor allem auch deshalb, weil dieses Theater Jahrzehnte lang alle öffentliche Unterstützung gehabt hat zu zeigen, welches Potential in ihm steckt. Breitere Bevölkerungsgruppen erreichte  es in den letzten Jahrzehnten nur selten.

Deshalb ist es an der Zeit anderen Ansätzen in diesem Land eine Chance zu geben.

Beim Nachdenken über diese möglichen neuen Formen wird man an der Überwindung der vierten Wand des Theaters nicht vorbeikommen.

 Schon Adolphe Appia formuliert das schon im vergangenen Jahrhundert:

„ Es muss laut und deutlich gesagt sein: Der Dramatiker wird seine Vision niemals befreien, solange er der Ansicht ist, dass sie unumgänglich der Trennungslinie zwischen Schauspiel und Zuschauer verhaftet bleiben muss.“

Kein Einzelruf.  Doch ob das Einreißen der vierten Wand zum Publikumsraum hin reichen wird?

Will das Theater in Zukunft Nichtbesucher dauerhaft erreichen, so könnte es sein, dass die einzige Chance darin besteht, dass das Theater die Wand nach draußen einreißen und den schwarzen Raum verlässt?

Reißt die Theater nieder, damit das Theater überleben kann? Das hört sich nach Revolution an? Aber vermutlich reicht nicht einmal dies aus.

Aber die Bundeskulturstiftung scheint die Problemlage  mittlerweile im Ansatz verstanden zu haben. Zumindest versucht sie mit ihrem Heimspielfond Impulse zu geben, dass das Theater sich mehr nach draußen begibt. Dass hier nur  Stadt- und Staatstheater Berücksichtigung finden, ist für alle im Öffentlichen Raum arbeitenden Theatergruppen schmerzlich. Viel schmerzlicher ist es aber zu sehen, dass die Öffentlichen Theater nicht den Wert des Öffentlichen Raums  für Ihre Kunst an sich erkennen, sondern  das Verlassen des Theaterraums vor allem als Werbemöglichkeit sehen, wieder mehr  Menschen in den Theaterbau quasi vor die vierte Wand  zu holen.

Vielleicht wird man das heute noch so beharrliche und ausschließliche Festhalten am  staatlich finanzierten Guckkasten einmal rückblickend mit Unverständnis registrieren. Vielleicht wird man ihn sogar als einen der größten Fehler in der 2500 jährigen Theatergeschichte sehen.

Wie kann nun dieser Dialog aussehen, wenn man sich hinaus begibt in den Öffentlichen Raum?

Wer im Öffentlichen Raum spielt, spielt immer im gelebten Räumen der Menschen, die als Besucher zu den Veranstaltungen kommen. Die Straßen und Plätze sind durchzogen mit Geschichten und Energien, die sich nur schwer fassen lassen, sind geprägt von Architektur, von zu Stein gewordenen Gedankenwelten.  Vieles davon lässt sich unter  dem alten Begriff des „Genius loci“ dem Geist des Ortes zusammenfassen.

Der Philosoph Ludwig Klages beschreibt diesen Begriff wie folgt:

„Die Alten kannten den genius loci, den Nimbus, die Aura, und auch wir noch sprechen von der Atmosphäre eines Menschen, eines Hauses, einer Gegend. Nun, diese Atmosphäre, von sogenannt sensitiven Naturen erlauscht, von feinfühligen gespürt ist eine wirkende Wirklichkeit, gebend und bereichernd, umfangend und erwärmend oder aushöhlend und erkältend, beschleunigend und erregend beflügelnd oder lähmend…“

Ob man nun bewusst mit dem Genius loci umgeht oder nicht. Er ist da und wirkt auf die Menschen, die sich in ihm bewegen, auch auf den Schauspieler. Das Dialogische ist latent vorhanden.

Und nicht nur als Einbahnstraße vom Ort zum Schauspieler. Denn das Theater kann auch auf  den Ort wirken, ihn mit neuen Bildern besetzen, die im Gedächtnis des Besuchers auch die Wahrnehmung des Ortes nachhaltig verändern. Das kann ganz banal sein: Ein Platz wird vielleicht vom Publikum erstmals ohne Autos gesehen oder atmosphärisch neu besetzt. Im Rahmen des von mir geleiteten Straßentheaterfestivals „Gassensensationen“ lassen wir immer wieder Künstler auf einen Baum  inszenieren. Für viele Menschen, die dort leben, ist der Baum damit erst in das Bewusstsein, in die Raumwahrnehmung,  getreten. Das Sichtbar Machen von Unsichtbarem ist ja auch ein wesentliches Merkmal von Kunst. Es verändert auch das festgefügte Bild und den Geist des Ortes.  

Karl Mannheim spricht davon, dass das Theater die Versteinerungen zum Tanzen bringen kann.

Wenn ich beschreibe, dass Theater mit einem Ort in Dialog treten kann, dann ist letztlich das Bild des Ortes gemeint,  das der Besucher, meist der Mensch, der dort lebt,  von diesem Ort hat.

Der Dialog mit dem Besucher kann aber auch ganz direkt geschehen. Gerade das Straßentheater hat hier als einzige Teildisziplin des Theaters eine Vielfalt von Spielarten hervorgebracht und damit die Forderung nach dem Durchbrechen der vierten Wand  umgesetzt. Viele mobile Produktionen leben geradezu von der Begegnung mit dem Besucher. Theater entsteht hier ganz konkret erst im Zusammenspiel mit diesem.  Und das muss nicht Klamauk sein.  Auch hier können Geschichten erzählt werden.

In diesem Feld gibt es nach wie vor unglaubliches Entwicklungspotential.

Der Dialog mit dem Besucher kann aber auch schon im Entstehungsprozess geschehen. Für Produktionen, die speziell vor Ort entwickelt werden.

Zum einen im Rahmen von Recherchen, zum anderen im Mitspiel der Menschen vor Ort. Hier hat Rimini Protokoll mit ihrem Reality-Ansatz die Menschen vor Ort als Experten und Protagonisten zu inszenieren, Wege aufgezeigt.

Straßentheater wird immer mehr für die Produktion spezieller Inszenierungen im Rahmen von Stadtjubiläen  oder anderen Anlässen angefragt.  Bei den Kulturhauptstädten Europas ist es heute nicht mehr wegzudenken. Gerade in einer Welt, die sich immer weiter in Richtung Globalisierung bewegt, (was sich vor allem in den Massenmedien widerspiegelt) könnte ein Theater, das sich  mit der Lebenswelt der Menschen vor Ort auseinandersetzt  interessante Entwicklungsmöglichkeiten eröffnen.

Die Einbindung der Bevölkerung vor Ort ist bei solchen Projekten nur noch ein kleiner Schritt.

Durch die Auflösung der klaren Grenze zwischen Theater und Zuschauer tut sich dort ein produktives Spannungsfeld auf, dass Wahrnehmungen, Einstellungen  und Gefüge einer Gesellschaft verändern kann.

Besonders deutlich wird dies an den Jugendprojekten, die ausgelöst von Rhythm is it an vielen Orten umgesetzt werden. Was für ein ungeheurer gesellschaftlicher Mehrwert dort erbracht wird: Erwachsene bejubeln die ihnen fremd gewordenen Jugendlichen und Jugendliche erfahren von den „uncoolen Alten“ Anerkennung.

Die Resonanz, der Widerhall solcher Projekte ist unglaublich viel größer als das, was mit verlaub die meisten klassischen Theateraufführungen leisten können. Die Zukunft liegt draußen. Außerhalb der dicken Theatermauern, die keinen Ton und kein Licht hineinlassen.

Die Überwindung des Raums ist auch eine Überwindung der Besucherstrukturen. Die Erfahrungen vieler Straßentheaterfestivals  ist, dass diese Form des Theaters breite Bevölkerungsgruppen erreicht. Aufgrund der Zahlen sind hierunter unabdingbar viele Nichttheatergänger.   

Diese Form der Bespielung von Straßen und Plätzen – von gelebten Räumen scheint auf das Publikum eine hohe Attraktivität auszustrahlen. Es gibt keine Veranstaltungsform, die so viele verschiedene Menschen in den Städten zusammenführt. Das ist es ja gerade,  was wir suchen, wenn wir über einen modernen Volkstheateransatz sprechen, ein hoffnungsvolles Zeichen.

Übrigens auch aus stadtsoziologischer Sicht eine  äußerst  lohnende Beobachtung. Die  Städte  haben sich immer mehr wie Firmen organisiert,  sie verlangen für alle Dienstleistungen Gebühren. Sie haben den eigentlichen Begriff der „Kommune“ als Lebensgemeinschaft aufgegeben. Damit geht einher die Auflösung der  städtischen Gesellschaft, die bislang noch gar nicht ausreichend in das Bewusstsein der Kommunalpolitiker getreten ist.  Die Straßentheaterfestivals können hier einen wichtigen Beitrag leisten. Sie können städtische Identität schaffen, in der sich der Bürger nicht als Zahler oder Konsument sieht, sondern als Teil der städtischen Gesellschaft von der er profitiert. (durch freie Zugänglichkeit)

Die Mittel des Theaters dürfen hier auf keinen Fall unberücksichtigt bleiben.  Sie machen  sicherlich ein wesentlichen Teil der Attraktivität aus. Deshalb reicht es nicht nur einfach das Indoor Theater nach draußen zu verlegen. Wir brauchen auch andere Mittel, dass wusste auch Max Reinhardt und alle vor ihm, die Theater für viele machen wollten. Auch dies hat das Straßentheater verstanden. Seine oft universelle Sprache, sein Bildgewalt, seine Fähigkeit Menschen neugierig zu machen, all das sind die Pfründe dieses Genres.

Heureka dann haben wir es ja….. und haben es doch nicht.

Denn Form und Mittel sind nur zwei Aspekte. Vergessen wir nicht den Inhalt.  Und da gibt es noch jede Menge zu tun.

Theater steht aus meiner Sicht in der Tradition des Geschichten-Erzählens. Ein  Erzähler erzählt aber nicht irgendwelche Geschichten. Die Geschichten haben etwas zu berichten, die für den Zuhörer oder für die Gemeinschaft wichtig sind. Geschichten vom Versuchen und Scheitern und von der Hoffnung auf eine bessere Welt.  Das kann im Clown genauso zu finden sein, wie in der großen Platzinszenierung.  – Oder eben auch nicht.

Ich möchte das an dieser Stelle  ganz offen sagen: In der inhaltlichen Belanglosigkeit vieler Produktionen im Genre Straßentheater, sehe ich als das größte Problem des Straßentheaters. 

 Eine Fortschreibung und Weiterentwicklung des Genres darf den Künstlern nicht allein aufgebürdet werden. Es sind ja auch die Veranstalter, die Gruppen einladen und so den Markt lenken. Sie haben die Foren geschaffen, in denen Straßentheater wachsen konnte. Das ist Ihr Verdienst, der gerade in Zeiten knapper Öffentlicher Haushalte große Anerkennung verdient. Unverständlich ist  für mich aber, wie wenig  Veranstalter zu der Weiterentwicklung  des Genres beitragen. In Deutschland treten sie weder als Produzenten auf, was selbst im kleinen Genre Figurentheater möglich ist! Noch gibt es eine Vereinigung von Festivalleitern, die sich über die Fortschreibung der Festivalkultur regelmäßig auseinandersetzt.

Dieses Genre braucht alle Köpfe, braucht alle, die mit Herz bei der Sache sind um gemeinsam das Straßentheater zu dem Volkstheater der Zukunft zu machen. Es braucht den Mut von Künstlern und Veranstaltern neues auszuprobieren. Es braucht die Politiker unter uns, die Strategen, die feinsinnigen Künstler, die hartnäckigen Antragsteller, es braucht die Denker und die Macher. Es braucht uns alle mehr als bisher.

Wir werden diese Kraft nur aufbringen, wenn wir an die Kraft des Theaters glauben. Wenn wir glauben, dass sie wichtig ist für den einzelnen wie für  die Zukunft unserer Gesellschaft.

Der Dramatiker Günther Weisenborn schrieb einmal:

„Das Theater ist die innere Stimme der Völker. Der Traum wird zur Gestalt, die eigene Sehnsucht wird Dialog, die eigene Hoffnung wird Handlung. Der unaufhörliche Zug der Masken, die seit Jahrhunderten über die Bühnen ziehen, hat unser Volk verwandelt. Theater ist immer ein Ort der Veränderung.“

Verwandeln wir das Theater! Machen wir es  zu einem kraftvollen Volkstheater. Die Zukunft ist draußen. Sie liegt in unseren Händen. Danke