Ideeninseln 

  

Kunst kann man nicht produzieren.

Wir können nur den Boden bereiten, nur zuhören, wach sein, sehen... und uns in Dankbarkeit und Demut beschenken lassen und es in die Welt tragen, mehr nicht.


Wieviel Menschenzeit verbraucht das Fernsehen?

Würde man die Stunden, die Zuschauer vor dem Fernseher sitzen in  Menschenleben umrechnen, so käme man auf einen unheimlichen Zeitverbrauch:

Rund 60.000 Menschenleben  werden jedes Jahr in Deutschland vor dem TV abgesessen!


  

Was würde ein Eingeborener erzählen, wenn er zum ersten Mal Theater sehen würde?

Vielleicht dies:

Hier in diesem Land gibt es ein merkwürdiges Ritual: An manchen Abenden treffen sich die Menschen in großen, verdunkelten Räumen. Sie sitzen geordnet in Reihen, blicken in eine Richtung. Nach kurzer Zeit werden sie immer stiller, in gespannter Erwartung. Dann geht auch das letzte Licht aus. Nun wird ein bisher verhangener Raum sichtbar. Es ist als könne man in eine Welt blicken, die sonst verborgen ist. Gestalten tauchen auf. Die Sitzenden schauen still zu, wie sie leben, lieben, streiten. Dies geht eine ganze Zeit so. Am Ende verschwinden diese Wesen wieder, woher sie gekommen sind - in die Dunkelheit. Jetzt beginnen die Menschen in dem  Raum laut zu klatschen. Klatschen ist ein uraltes Ritual, das jeder Ureinwohner kennt - mit Klatschen vertreibt man die Geister.  Theater wäre für Ihn vermutlich der Ort, an dem die Menschen die Geister treffen. Und Gespenster, das wissen wir aus den Geschichten unserer Kindheit, sind Untote, die  so lange nicht ruhen dürfen, bis sie erlöst sind. Faust, Macbeth und die vielen anderen Bühnenfiguren wären - um im Bild zu bleiben- dazu verbannt allabendlich zu erscheinen und ihr Versuchen und Scheitern auf der Bühne zu durchleben. Diese Wesen und ihre Geschichten hoffen darauf, erlöst zu werden. Theater, das sind die ewigen Geschichten der Menschen, die auf Erlösung warten - nicht auf der Bühne können sie erlöst werden, sondern nur in unserer Welt.

  

Was kann das Theater, was der Film nicht kann?

Immer wieder wird gesagt, der Film habe dem Theater Konkurrenz gemacht. Dieses Argument lässt sich durchaus nachvollziehen. Bleibt die Frage, was der Film gegenüber dem Theater nicht kann? Die Beantwortung dieser Frage könnte Rückschlüsse auf die Stärken des Theaters geben.

Also lieber Leser, ganz real, was kann man im Theater machen, was im Film so nicht möglich ist?

Hier meine  Antwort:

Wenn im Film ein Schauspieler einen Spiegel hochreisst, dann sieht der Zuschauer des Films den Kameramann.

Wenn das selbe ein Schauspieler im Theater tut, sieht der Zuschauer plötzlich andere Zuschauer und sich selbst.

In einem Film kommt das Jetzt genausowenig vor, wie der Zuschauer. Das Medium Film kann beides nicht wahrnehmen. Das Theater kann das.

  

Warum das Theater in einer Welt der Wortlosigkeit entstand und nicht in Griechenland?

Das Theater entstand im antiken Griechenland. Zu Ehren des Dionysos....   Sie haben das sicherlich auch gelesen. Passt ja auch - wo sollte Theater sonst entstanden sein als in der ersten europäischen Hochkultur. In vielen Werken über Theatergeschichte kann man das nachlesen. 

Jedoch entwickelte sich Theater nicht in einer Hochkultur sondern zu Beginn der Kultur. Der Beginn des Menschsein wird von Soziobiologen mit dem Moment angegeben, an dem die Menschen begannen Geschichten zu erzählen. Die Ausdifferenzierung des Wortschatzes wird zu jener Zeit äußerst gering gewesen sein. So musste sich der Erzählende vor allem durch andere Zeichen verständlich machen: Neben Lauten,  durch zeichnerische Darstellung oder durch das Zeigen von Gesten.  Nehmen wir an er will am Feuer von der Jagd erzählen. Er benutzt die Welt der Laute und der Bilder. Er greift zu einem Fell zieht es sich über, wird zum Bär, brummt, bewegt sich, wechselt die Rollen. Bringt mit seinem Gesicht Gefühle zum Ausdruck, zeigt seine Wunde.

Gerade in einer Welt, die noch wenige  Worte als Zeichen hat, nicht das  Darstellen und somit das Theater entstanden ist. Es ist eng verknüpft mit der Entstehung des Erzählens. Noch heute sagt man, dass man sich in einem fremden Land mit Händen und Füßen unterhält.  Das Bärenfell war vielleicht das erste Kostüm, und gute Erzähler  vermutlich auch gute Schauspieler.

Ein interessantes Phänomen ist, dass auch nach der Ausdifferenzierung der Sprache das Darstellen nicht verschwunden ist.

Bis heute steht das Theater in der Tradition des Geschichtenerzählens. Es ist Teil unserer Erzählkultur, Ausdruck des Bedürfnisses andere an Erfahrungen teilhaben zu lassen, sich "mit zu teilen" aber auch zu fabulieren oder  interessante, gehörte Geschichten weiterzugeben.